Schweiz
Offener Brief an die Nationalbank!
Sehr geehrter Herr Dr. Hildebrand
Mit grosser Besorgnis stelle ich fest, dass gewisse Führungskräfte der Schweizerischen Nationalbank seit einiger Zeit eine hochriskante währungspolitische Spekulation betreiben, welche in grobfahrlässiger Weise gegen die in Art. 99 der Bundesverfassung festgeschriebenen Bestimmungen verstösst:
1. Die SNB betreibt keine unabhängige Währungspolitik im Interesse der schweizerischen Bevölkerung, sondern sie gibt einseitig dem Druck und den Wünschen gewisser Polit- und Wirtschaftskreise nach. Mit total unverhältnismässigen Euroankäufen will sie Ihre Solidarität mit der EU bekunden, ruiniert dabei aber das Volksvermögen der Schweizerischen Nationalbank. Nur dank dem kurzfristig wirksamen Bluff mit dem nach unten „fixierten“ Euro-Wechselkurs kann sie im dritten Quartal hohe Scheingewinne verbuchen und die gefährlichen Folgen ihres absolut unzureichenden Risikomanagements noch für eine Weile vertuschen.
2. Statt wie gesetzlich vorgeschrieben, ausreichende Reserven zu bilden droht sie diese, bei einer weiteren Zuspitzung der Eurokrise, zu verlieren: denn die Aktiven der SNB bestehen nur noch zu lächerlichen 12.5% aus Gold (obwohl spekulativ überbewertet!), dafür zu 79,1 % aus Devisen, vorab Euro und Dollar, reine Papierwährungen, deren Umlauf nur noch zu einem kleinem Teil durch reale Werte gedeckt ist (Quelle: Konzernbilanz der SNB per 31. Oktober 2011, www.snb.ch). Wenn Sie so weitermachen wie bisher, dann droht sich ein sehr grosser Teil des bei den SNB lagernden Volksvermögens und damit auch die Deckung des Schweizer Frankens in den nächsten Jahren in Luft aufzulösen.
3. Anstatt wie in der Bundesverfassung Art. 99 Absatz 4 beschrieben, und wie es jahrzehntelang Praxis war, Reingewinne an die Kantone auszuschütten, müssen diese scheinbar schon zum zweiten Mal auf jegliche Ausschüttung verzichten. Durch solche Machenschaften gefährden Sie in grobfahrlässiger Weise die Wohlfahrt unseres Landes, denn die Kantone müssen diese ausbleibenden Einnahmen entweder durch neue Schulden, Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen kompensieren, was logischerweise Arbeitsplatzverluste und Kaufkraftverluste zur Folge haben wird, was wiederum dem Kernauftrag der SNB ganz klar zuwiderläuft.
Als Rechtfertigung für diese unglaublichen Devisenkäufe benützt sie die Argumente der Exportwirtschaft, bei einem noch tieferen Wechselkurs sei ihre Existenz quasi in Gefahr und die Schweiz drohe in eine Rezession abzugleiten. Dabei ging aber Folgendes vergessen: des einen Leid, des anderen Freud. Nicht nur werden die bescheidenen Verluste der Exportwirtschaft durch die zusätzlichen Gewinne der Importwirtschaft kompensiert (welche in der Schweiz versteuert werden), sondern jeder einzelne Bürger ist direkter Nutzniesser und Profiteur eines starken Frankens. Nicht nur profitiert die gesamte Bevölkerung durch gut 20% günstigere Ferien sowie 20% günstigeren Einkäufen im Ausland (z. B. Autos), sondern auch durch die deutliche Verbilligung einer überaus grossen Menge an Importgütern des täglichen Bedarfs, wie z. B. Nahrungsmittel und Getränke.
Es lässt sich nicht bestreiten: Für die gesamte Schweizer Bevölkerung bedeutet ein starker Franken, eine direkte Stärkung der Kaufkraft, was wiederum eine Stärkung des Konsums und somit die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen bewirkt.
Die SNB schreibt auf ihrer Homepage (--> Risikoprofil der Anlagen): „Das absolute Risiko erhöhte sich infolge des gestiegenen Bestandes an Währungsreserven (Euros) deutlich“. Und in ihrer Lagebeurteilung vom 15.9.11 schreibt sie: „Die SNB ist bereit unbeschränkt Devisen zu kaufen“. Demnach ist also die SNB-Führung nach eigenen Worten bereit, unbeschränkt Risiken einzugehen!!! Gestatten Sie mir bitte die Frage: Für wen tun Sie das? Für das Wohl des Schweizervolkes ganz sicher nicht, also für die EU oder für die Lobbyisten der Exportindustrie oder einfach um das eigene Gesicht noch eine Weile zu wahren? Und: waren die im Frühling dieses Jahres am Devisenmark praktisch wirkungslos verdunsteten Interventionen der SNB auf Kosten unseres Volksvermögens und auf Kosten der Kaufkraft der Schweizer Bevölkerung diese Risiken wirklich wert?
Selbst wenn es ein Erfolg wäre, dass sich der Euro nun scheinbar stabil über dem „fixierten“ Wechselkurs von 1,2 hält, ist das ein rein psychologischer Effekt, den die Führungskräfte der SNB am 6. September medial geschickt inszeniert haben: mit kurzen, entschlossenen Worten wurde angekündigt: „unter 1,2 SFr/ Euro tolerieren wir nicht!“ Sobald aber die Mehrheit der Anleger erkennt, dass es sich dabei nur um einen Bluff handelt und es hart auf hart geht, werden Sie den „fixierten“ Wechselkurs niemals halten können - das wissen Sie ganz genau - denn der europäische Währungsraum lässt sich nicht mit der ehemaligen BRD vergleichen. Tatsache ist: die SNB steht als kleiner Zwerg einem riesigen Devisenmarkt gegenüber.
Immerhin ist der US-Dollar in den letzten vier Jahrzehnten gegenüber dem Schweizerfranken von über SFr. 4 / Dollar auf 0,9 gesunken, und der noch jungen Währung Euro wird es langfristig genau so ergehen - in beiden Fällen aufgrund einer viel zu expansiven Geldpolitik sowie einer verantwortungslosen Ausgabenpolitik der entsprechenden Regierungen. Und solange die USA und Europa im Verhältnis zu ihrem BIP mehr Papiergeld drucken und mehr Schulden machen als die Schweiz es tut, solange braucht es auch keinen Propheten um zu sagen, dass der Euro langfristig fallen wird wie der Dollar - und nichts und niemand wird es verhindern können. Daher wird es langfristig absolut unmöglich sein, eine künstliche Fixierung von mindestens 1,2 SFr/ Euro aufrecht zu erhalten.
Spätestens seit dem Schuldenschnitt Griechenlands vom 27.10.11 setzt sich bei den Anlegern die Erkenntnis durch, dass es sich bei den europäischen Staatsanleihen um hochriskante Anlagen handelt, welche durch praktisch keine realen Werte gedeckt sind: Weder in Griechenland, noch in Portugal und Spanien, weder in Irland noch in Italien, Frankreich oder den USA. Da können die Politiker reden soviel sie wollen, und 1000 Milliarden Euro versprechen, welche sie gar nicht haben. Wer glaubt eigentlich noch daran, dass diese gigantischen Staatsschulden, welche in Europa und den USA über Jahrzehnte angehäuft wurden, je zurückbezahlt werden können? Glauben Sie es?
Was bedeutet das nun für die Schweiz, ja ist es wirklich zu unser aller Wohl, dass die Schweizerische Nationalbank den grössten Teil ihres Goldschatzes zu einem absoluten Schleuderpreis von durchschnittlich 16‘000 SFr. pro Kilo Gold verkauft hat (zum Vergleich, der heutige Kurs beträgt SFr. 48‘000 pro Kilo), und damit vorwiegend Euros und Dollars gekauft hat? Sehr geehrter Herr Dr. Hildebrand, spätestens wenn der Euro gegenüber dem SFr tief unter 1 SFr/ Euro sinkt und dies in der Konzernbilanz auch so sichtbar wird, werden alle das ganze Ausmass ihrer grobfahrlässigen Spekulation erkennen.
Bitte beantworten Sie mir doch die eine Frage: Wie viele Dutzend Milliarden SFr. des Volksvermögens gedenken Sie noch in den Sand zu setzen, mit absurden und hochriskanten Euro-Ankäufen in Milliardenhöhe, bevor der Bluff mit dem „fixierten“ Wechselkurs in naher Zukunft auffliegt, und der Euro auf einen durch Angebot und Nachfrage des Devisenmarktes bedingten Kurs sinkt?
Kein auch nur halbwegs vernünftiger Banker legt 80% der Eier in denselben Korb.
Herr Dr. Hildebrand, ich fordere ihren sofortigen Rücktritt - sowie den Rücktritt der Direktions-mitglieder Thomas Jordan und Jean-Pierre Danthine.
Mit freundlichen Grüssen
Peter Hilfiker lic. oec. publ., Luzern