Schweiz

Anwendung der Ventilklausel durch das Parlament

Sie erinnern sich. Die Ventilklausel spielte im Abstimmungskampf über die Einführung der Personenfreizügigkeit eine bedeutende Rolle. Die Bedenken in der Bevölkerung waren gross, dass es in der Folge der Einführung der Personenfreizügigkeit zu einer übermässigen Zuwanderung in unser Land kommen könnte.
 
Im Abstimmungskampf wurde damals auch durch den Bundesrat zugesichert, dass die PFZG mit Sorgfalt angewendet und die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt aufmerksam verfolgt werde. Und weiter sagte er auch, die Schweiz benötige hochqualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und alle Arbeitnehmenden aus der EU seien als so flexibel einzuschätzen, dass sie beim Verlust des Arbeitsplatzes die Schweiz wieder verlassen werden.
Heute wissen wir, dass es eben nicht so ist. Und nach der Abstimmung konnten wir auch hören, dass die Verträge ja jederzeit kündbar seien, sollten sie unserem Land schaden.
 
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Sie kennen es aus der eigenen politischen Arbeit, viele unserer Dossiers werden mit grossem Verständnis und Entgegenkommen  für den grossen Verhandlungspartner EU behandelt und Verknüpfungen getreu den Wünschen der EU getätigt.
 
Wer nun erwartet hat, dass dieser grosse Partner im Gegenzug die Schweiz ebenso freundlich und zuvorkommend behandelt, musste sich wohl schon öfters eines Besseren belehren lassen.
 
Ein vergleichender Blick auf die Ausgestaltung unserer Arbeitslosenversicherung und der Sozialwerke genügt um festzustellen, dass arbeitslose EU-Bürger nicht in ihre ursprüngliche Heimat zurückkehren wie angenommen wurde.
 
Sozialdienste beklagen, dass sie immer mehr Personen aus der EU nach wenigen Monaten Arbeit bevorschussen müssen und immer wieder neue Fälle aufgedeckt werden, in denen Personen von Verwandten einen Arbeitsvertrag auf Zeit zugeschanzt bekommen haben.
 
Es gibt noch mehr Beispiele aber ich will bei der Sache bleiben.
Zur Ventilklausel:
Bereits zwei Mal, in den Jahren 2008 und 2009 waren die Voraussetzungen gegeben, dass der Bundesrat die Ventilklausel hätte anrufen können. Der Bundesrat hat ja auch darüber nachgedacht, wie den Medien zu entnehmen war.
 
Ich erinnere, dass die Ventilklausel die Wiedereinführung von Bewilligungskontingenten beinhaltet, wenn die neuen Zulassungen 10 % über dem Schnitt der vergangenen 3 Jahre liegen, gem. Art. 10 Abs. 4 des Freizügigkeitsabkommen.
 
Nun, die Schwelle der Schutzklausel liegt bei 45‘781 Aufenthaltsbewilligungen und wurde um über 10‘000 überschritten. Der Bundesrat hat trotz der eindeutigen Situation auf dem Arbeitsmarkt und der anhaltenden Zuwanderung nicht gehandelt. Die Ventilklausel wurde nicht angewendet, die ja nur bis am 1. Juni geltend gemacht werden kann. Die im Abstimmungskampf gemachten Versprechen wurden einfach schlicht und ergreifend nicht umgesetzt. Der Bundesrat sicherte lediglich zu, Arbeitsmarkt und Zuwanderung weiterhin genau zu beobachten.
 
Es bleiben nun Fragen, ob der Bundesrat die Stimmbürger bewusst getäuscht hat, oder ob ihm ganz einfach die Einsicht fehlt, dass die unbeschränkte Zuwanderung für die Schweiz schon jetzt zur Hypothek geworden ist? Oder fürchtet er ganz einfach die EU und deren Reaktion?
 
Das könnte jedenfalls sein, wenn ich an die Reaktion von EU-Botschafter Reiterer in Bern denke: er gehe nicht davon aus, dass die Schweiz die Zuwanderung aus der EU begrenzen werde und er bezweifle, dass die Schweiz überhaupt zu diesem Schritt berechtigt sei.
 
Herr Botschafter Reiterer hat wohl vergessen, dass die Ventilklausel ein uns staatsvertraglich zugesichertes Recht ist. Das Bild rundet sich ab mit der Aussage des Bundesrates: mit der Anrufung der Ventilklausel werde ein negatives Signal ausgesendet, das im europapolitischen Kontext nicht von Vorteil wäre! Verknüpft mit der Aussage, die Schweizer Wirtschaft sollte vor dem Wiederaufschwung die Sicherheit haben, rechtzeitig qualifizierte Arbeitskräfte zu rekrutieren.
 
Bund, Kantone und Gemeinden geben heute Milliarden aus für die Sozialwerke, die Summe steigt stetig, ebenso steigt der Bedarf an Personal in der Verwaltung für diesen Bereich.
Wer bezahlt das, und wo bleibt die Produktivität wenn Stellen in der Wirtschaft verloren gehen und stattdessen der Staat ausgebaut wird?
 
Der belastende Saldo der Wanderungsbilanz – Einwanderer minus Rückkehr hat sich versechsfacht.  Der Trend geht uneingeschränkt weiter, das haben die neuesten Zahlen aufgezeigt, bald erreichen wir die 8 Millionengrenze mit einer Ausländerquote von rund 25 %.
 
Nota Bene : Die Finanzkrise löste die Wirtschaftskrise aus und in der Folge stieg die Arbeitslosigkeit. Das kann sich beliebig oft und schnell wiederholen. Natürlich hoffen wir das nicht, aber mit der Vogelstrausspolitik sind wir schlecht bedient.
 
Nun, wir können das Rad nicht mehr zurückdrehen, aber wir können uns vorsehen für die nächsten Jahre und Gegebenheiten, die sich schnell wieder ändern können. Wir wissen nicht, wie sich die Zuwanderung aus weiteren Ländern – die ohne Zweifel anstehen – entwickeln werden. Wenn wir aber an die Unterschiede bezüglich Einkommen und Sozialwerke denken, werden neue Probleme nicht auf sich warten lassen.
 
Es schafft kein Vertrauen, wenn der Bundesrat bereits 2 Mal die Ventilklausel nicht einführen wollte obwohl die Voraussetzungen gegeben waren. Man muss annehmen, dass er dies auch beim nächsten Mal nicht tun wird.
 
Deshalb will die SVP Fraktion mit der vorliegenden Parlamentarischen Initiative erreichen, dass die einschlägigen Bestimmungen dahingehend zu ergänzen sind, dass neben Bundesrat auch das Parlament per einfachem Bundesbeschluss die Anwendung der im Freizügigkeitsabkommen vorgesehenen Ventilklausel zur Beschränkung der Einwanderung veranlassen kann, wenn die Voraussetzungen zur Wiedereinführung von Kontingenten nach Artikel 10 Absatz 4 des FZA eingetreten sind. Verzichtet der Bundesrat -  soll das Parlament die Kontingentierung beschliessen können – das und nicht mehr und nicht weniger.
 
Nationalrätin Sylvia Flückiger
www.politikerin.ch
 

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